April 22, 2011
January 17, 2011
August 19, 2010
Akte dosierter Vertraulichkeit
Unter Politik wird in der Regel nur das verstanden, was als Politik verkauft wird, also alles, was "politisch" genannt wird, mit "Politikern" zu tun hat, mit Parteien, Parlamenten, Politikwissenschaftlern usw. – ein bestimmtes Milieu, ein abgezirkelter Gesellschafts- und Geschäftsbereich, als dessen wichtigstes Kriterium Entscheidungsprozesse wahrgenommen werden, die sich in einer vermeintlich freiheitlichen, demokratischen Öffentlichkeit vollziehen.
Diesem Politikverständnis gehen zwei wesentliche Dinge durch die Lappen:
1. Die "Software" unserer Öffentlichkeit "läuft" auf einer korporativen statt auf einer kooperativen "Hardware", und die ist ungefähr so demokratisch wie die Kirche (was sich durch den schillernden Cyberspace allerdings gerade grundlegend ändert).
2. Richard Andrew Grove nennt es den toten Winkel (Blindspot) – ein Skotom sozusagen in Hinsicht auf politische Realitäten. Denn viele Entscheidungsprozesse politischen Ranges finden außerhalb der kulturellen Sparte der Gesellschaft statt, der das Milieu des Politikbetriebs zugeschrieben wird. Gerade so, als wäre der heutige neufeudalistische Politiker-Celebrity-Rummel eine Art drastisches Überbleibsel des Hoftheaters um die quasi-göttlichen Königshäuser und -familien aus original feudalen Zeiten.
Die echten Machthaber dagegen herrschen wie immer über die ganze Bandbreite einer bestimmten Kultur, indem sie diese nach ihren Vorstellungen gestalten und zu diesem Zweck alle möglichen Formen von Politikinstrumenten wie Professoren, Autoren, Agenten, Anwälte, Journalisten, Politiker, Priester, Psychologen, Gesetze, Gesänge, Gemeinschaftserlebnisse, Krieg, Knast, Konspiration und vieles andere mehr geschickt, skrupellos und aus einer Position nicht zu knackender intellektueller Supremacy einsetzen.
Der Orden der "lebenden Jesusse" hat seine Hierarchien in das gesamte Spektrum seiner bürgerlichen Gesellschaft versenkt. "Politik" in ihrer heutigen Form als dialektisches Bühnenkunststück ist zentraler Bestandteil unserer Kultur – die echte Politik jedoch vollzieht sich währenddessen praktisch unbemerkt überall.
Joachim Bauer und Gerhard Müller verwenden in ihrem Aufsatz "Jena, Johnssen, Altenberga" den Begriff "freimaurerische Öffentlichkeit", womit sie geschlossenen Gesellschaften wie z.B. den eingemauerten kommunistischen Sowjetstaaten oder einem Club wie der Skull and Bones Society eigene Öffentlichkeiten zuschreiben, was bedeuten würde, dass die Öffentlichkeit ebenso strukturiert und unter Kontrolle ist wie überhaupt alle vom römischen Klerus abgeleiteten korporativen Organisationen und dass wer seelisch sich vom Mainmemestream ernährt, das unterste Niveau dieser ägyptoid verfassten, gestuften Öffentlichkeit wählt.
Zitat aus Logenbrüder, Alchemisten und Studenten, das die militante Normalität sowie die kafkaeske Banalität klerikal-korporativ verfasster Organisationen erkennbar werden lassen müsste, von der die heutige Bürgergesellschaft durchdrungen – oder besser noch: durchtränkt – ist und der sie ihren wesentlichsten Charakterzug verdankt. S. 51-63)
Johnssen verstand diesen Wink. Nach dem 6. November 1763 konkretisierte er seine Ordenslegende und trat nicht mehr nur als Reformer der Freimaurerei auf, sondern bezeichnete sich als geheimer Generalvisitator des Tempelherrenordens. In seiner Korrespondenz mit den auswärtigen Kapiteln übernahm er nun, teilweise fast wörtlich, all jene Prinzipien, Regeln und Vorschriften, die Hund ihm in dem Schreiben des Kapitels Unwürde vom 31. Oktober als Schilderung seiner historischen belegten Vorstellung über den Tempelherrenorden mitgeteilt hatte, und gab sie als eigene Offenbarungen über das "wahre" Wesen des Ordens aus.
Dabei übernahm er auch die Bezeichnung "Strikte Observanz".
Vor allem aber griff Johnssen das Hundsche Konzept der Unterscheidung von Innerem Orden und Freimaurerei auf. Im Clermont-Rosaischen Hochgradsystem hatten auch die höheren, über die klassischen drei Johannisgrade hinausgehenden Meister- und Rittergrade lediglich freimaurerische Erkenntnisstufen dargestellt. Ebenso wie Hieroglyphen, Geheimschriften, Symbole, Ordensnamen hatten sie eine rituelle Bedeutung besessen und zur Abschirmung der Exklusivität des "Geheimnisses" (Arkanum) gegenüber der profanen Umwelt bzw. den jeweils niederen Graden gedient. Johnssen hingegen erklärte nun zynisch, dass Freimaurerei, Ritual und Arkanum für "den Orden" nicht mehr geheiligte Ideale, sondern bloße Mittel zum Zweck darstellten.
Im Entwurf eines Schreiben an das Rostocker Kapitel vom 11. November 1763, der in den Akten des Jenaer Kapitels überliefert ist, brachte Johnssen dies in seiner eigentümlichen Sprache selbst zu Papier.
Kein Mitglied eines Hochkapitels dürfe glauben, so ließ er sich dort vernehmen, dass der ganze Aufwand nur betrieben werde, "um alle B[rüder] auf der Erden glücklich zu sehen."
Um "reel zu arbeiten" und "das Sistem des H. O. aus dem Grunde zu kennen", bedürfe es
Gleichzeitig scharte er die jüngeren, überwiegend adligen "Zions"-Ritter durch Akte dosierter Vertraulichkeit, großzügige Geschenke und Karriereversprechen fest hinter sich. [...]"eine un aus sprechliche Klugheit und fürsicht, den[n] der geringe Maurer würde nicht werd sein, das man seines nahmens gedächte. Der so törigt dächte, sich bis an sein Ende bloß mit einer lächerlichen Ceremonie und einem Tabie von Wachß einen buche mit ein wenig Creiden bezeichnet, sich zu vergnügen und nicht zu begreifen das unter diesen Hyroclifischen Sinn Bildern Frage Zeichen Grifen und Worden, viel Größere und wichtigere Sachen zum wahren Nutzen, der Menschlichen Societaet solte verborgen liegen, im gegen theil kan[n] ein vernünftiger Maurer wohl ein sehen, das man nicht ohne Uhrsachen, so viele taußend profane In zu gelassen ohne an sehen der religion [...] er kann leicht erathen das die vielheit, unß zu nichts andres hat dienen sollen, als da durch den Caracteur und das Hertz derselben kennen zu lernen, und als den[n] in einer jeden Logen die würdigsten von denen unwürdigen zu unterscheiden, und sie in die zwey grade zu erheben zu welchen sie tüchtig befunden wird."
Dem von Hund entlehnten System der "strikten Observanz", das Johnssen nun verfolgte, entsprachen neben Uniformen, Wachdiensten, Drill und militärischen Übungen vor allem die Prinzipien des unbedingten Gehorsams und einer straffen militärischen Disziplin.
Ganz im Sinnes des Hundschen Briefs vom 31. Oktober verlangte Johnssen jetzt sowohl von seinen Jenaer Gefolgsleuten, als auch von den auswärtigen Kapiteln, dass sie in ihrer Ordenskorrespondenz keine profanen Namensbezeichnungen mehr verwenden und nur noch mit ihren Initialen signieren dürften.
Auch der Name des "Großpriors" musste natürlich geheim gehalten werden und durfte nicht mehr in den Korrespondenzen auftauchen. [...]
Johnssen hatte ein Hasardspiel gewagt, und er hatte, wie die seit Mitte Dezember 1763 eingehenden Schreiben der auswärtigen Kapitel zeigten, tatsächlich damit Erfolg. Die Clermontschen Kapitel Braunschweig, Rostock, Bayreuth, Leipzig, Königsberg, Stettin, Kopenhagen, Hamburg, Stuttgart, Greifswald und Halle hatten sich bereits von ihm rezipieren lassen oder erklärt, sich seiner Führung unterstellen zu wollen, und in Dresden war die Errichtung eines neuen, ihm hörigen Kapitels im Gange. [...]
Vor diesem Hintergrund konnte Johnssen nun auch darauf zählen, in Hof- und Regierungskreisen, die sich bisher vorsichtig zurückgehalten hatten, Anerkennung zu erhalten. Auf sein Einladungsschreiben an die auswärtigen Mitglieder des Zion-Kapitels, sich zum Winterjohannisfest am 27. Dezember 1763 in Jena einzufinden, gingen begeisterte Zusagen ein. [...] Gleichzeitig sollte Johnssen als Ordenssuperior die Expansion der Strikten Observanz auf die nach der traditionellen Ordensgeographie nicht zu Hunds Heermeistertum gehörenden Territorien des Alten Reichs (Süddeutschland und Reichsitalien) ausdehnen und dort die VIII. Ordensprovinz wiedererrichten. [...]
Der Deputierte der Leipziger Loge, Johann Gottfried von Witzleben, der von Johnssen am 23. Dezember 1763 rezipiert worden war, schilderte später in einer Enthüllungsschrift die Umstände dieser Zeremonie.
Die Regeln, die der Novize unterschreiben und beeiden musste, beinhalteten u.a. die Verpflichtung, für die Geheimhaltung all dessen, was man über den Orden erfuhr, "mit Leib und Leben, Gut und Blut" zu haften und die "Feldzüge willig machen" zu wollen, die sich vor allem gegen den König von Preußen richten sollten. Falls er Gelder vom Orden empfange, habe der Novize nicht nach deren Herkunft zu fragen, ebenso wenig dürfe er danach streben, die Namen des Ordensstifters und sonstiger Oberen in Erfahrung zu bringen.
Freimaurer der niederen Grade, die als Profane zu betrachten waren, sollte er zwar auf ihre Eignung für den Orden prüfen, durfte ihnen aber keine Kenntnisse über dessen Existenz offenbaren.
Die Novizenregeln schworen den angehenden Tempelritter darauf ein, "alle bisherige C[apitel] mit Stumpf und Stiel auszurotten, hülfreiche Hand [zu] leisten, keine derselben [zu] frequentieren."
Auf solche Art, so schrieb Witzleben,
Überdies habe Johnssen den Novizen "unter der Hand zu verstehen gegeben, dass wenn jemand solchergestalt die Einrichtung des Ordens habe kennen lernen, und seinen Beitritt versagte, so wären die andern Brüder befehligt, einen solchen mit guter Manier aus dem Wege zu schaffen." [...]"kam ich zu der Ordensverbindung [...] Der Zusammenhang des Ganzen, von welchem man ein Theil wird, ist zu der Zeit, da man seine Pflichten übernimmt, ein tiefes Geheimnis. Meine Oberen haben mich verpflichtet, ihnen alles feil zu bieten, was ein Mensch in diesem Leben geben kann [...] Ein Sklave, ein Mönch, ein Soldat opfern sich und alles ihrem gebietenden Herrn auf, aber sie haben dafür Lebens-Unterhalt, Schutz und dergleichen. Wir thun das nemliche, und haben dafür gar nichts."
Konsens bestand darüber, dass die Freimaurerei, wie Hund es bereits in seinem ersten Brief an Johnssen vom 31. Oktober 1763 skizziert hatte, ihrer ursprünglichen Intention entkleidet und vollständig in den Dienst des Inneren Ordens gestellt werden sollte. Als nach außen sichtbare Organisation sollte sie dem konspirativ agierenden Inneren Orden solange eine Existenzform bieten, bis dieser dereinst wieder öffentlich hervortreten könne.
Zum anderen hatte sie dem Inneren Orden als Mitgliederreservoir zu dienen, um für die Aufnahme in den Rittergrad geeignete Kandidaten ausfindig zu machen, zu prüfen und allmählich an diesen heranzuführen. [...]
Das Gleichheitsprinzip der Freimaurerei galt im Inneren Orden nicht mehr, denn außer Adligen durften nur Bürgerliche, die entweder den militärischen Rang eines Obristen oder im Zivil den eines Rates innehatten, zu Rittern geschlagen werden. Kaufleuten, Gewerbetreibenden und allen anderen, auch Fürsten, die nach Erlegung hoher Rezeptionsgelder lediglich als Armigeri oder Socii in den siebten Grad rezipiert wurden, blieben die Insignien der templerischen Ritterwürde, mithin auch der Zugang zu den Führungspositionen (Präfekturen, Sitze im Provinzialkapitel) und Pfründen (Haus- und Ritterkommenden) des Ordens verwehrt. In der inneren Verfassung der Johannislogen wurden die traditionellen Formen der geheimen Wahl der Logenmeister und -beamten (Ballotage) beseitigt und das unbedingte Gehorsamsprinzip der Strikten Observanz auch auf diese übertragen.
Das Amt des Meisters vom Stuhl blieb ausschließlich Mitgliedern des Inneren Ordens vorbehalten und war in der Regel mit der heermeisterlichen Verleihung einer Hauskommende des Inneren Ordens verbunden. Im Inneren Orden ging die Gehorsamsforderung sogar so weit, dass Ritter, die in Staats- und Fürstendiensten standen, auch amtliche Angelegenheiten, die den Orden in irgendeiner Weise betreffen konnten, ihren jeweiligen Oberen zu offenbaren verpflichtet wurden. Darüber hinaus behielten sich die Ordensoberen, nach deren Identität und Aufenthaltsort, wie bereits erwähnt, nicht geforscht werden durfte, das Recht vor, anzuordnen, wann und wo innere Ordensmitglieder im Interesse des Ordens derartige Dienstverhältnisse anzunehmen, zu beenden oder zu wechseln hatten. Damit wurde die Strikte Observanz zu einem konspirativen Patronagesystem ausgebaut, das geeignet war, die Höfe, Regierungen und Behörden personell zu unterwandern. [...]
Die Ordensgehälter, die nach diesem Reglement ausgeworfen werden sollten, bewegten sich auf dem Niveau der um die Mitte des 18. Jh. an den kleineren deutschen Höfen üblichen Besoldungen für Minister, Universitätsprofessoren und höhere Beamte. All das war jedoch bisher weitgehend Theorie geblieben und sollte nun in den Dimensionen einer ganz Deutschland überspannenden Ordensorganisation verwirklicht werden. [...]
"der Zusammenhang des Ganzen, von welchem man ein Teil wird, ist zu der Zeit, da man seine Pflichten übernimmt, ein tiefes Geheimnis"
"so wären die andern Brüder befehligt, ihn mit guter Manier aus dem Wege zu schaffen"
"ging die Gehorsamsforderung sogar so weit, dass Ritter, die in Staats- und Fürstendiensten standen, auch amtliche Angelegenheiten, die den Orden in irgendeiner Weise betreffen konnten, ihren jeweiligen Oberen zu offenbaren verpflichtet wurden"
Parteiprogramm oder Jesuitenschwur (entspricht 33°-Freimaurer) – wem werden sich die Herren Brandt, Kohl und Schröder im Kanzleramt eher verpflichtet gefühlt haben?
Merkel, den weiblichen Chemtrail-Kanzler, halte ich persönlich für die hässlichste Figur, die man nach Hitler der deutschen Öffentlichkeit zumutet. Wo man ihn mit Blut regieren ließ, besteht ihre Regentschaft aus Seife.
William Guy Carr 1958: Pawns in the Game, chapter 3: The men who caused the French Revolution 1789)
Logenbrüder, Alchemisten und Studenten S. 69 f.)Nachdem die Polizei die geheimen Dokumente, die man am Körper des Kuriers fand, gelesen hatte, gab sie sie weiter an die Bayrische Regierung. Die Regierung wies eine polizeiliche Untersuchung des Hauptquartiers der Illuminaten an, bei der weiteres Beweismaterial beschlagnahmt wurde, das die weitverbreiteten Verzweigungen der Weltrevolutionsbewegung enthüllte.
Die Regierungen Frankreichs, Englands, Polens, Deutschlands, Österreichs und Russlands wurden über den internationalen Charakter des revolutionären Vorhabens informiert, aber – wie es seitdem wiederholt vorgekommen ist – die betroffenen Regierungen haben keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, die diabolische Verschwörung zu stoppen. Warum?
Die einzige Antwort auf diese Frage ist die: Die Macht der Männer hinter dieser Weltrevolutionsbewegung ist größer als die Macht jeglicher gewählter Regierung. Diese Tatsache wird sich wieder und wieder herausstellen, wie die weitere Geschichte zeigt.
Im Fall von Johnssens Inhaftierung wird also bis ins letzte Detail nachweisbar, wie die Strikte Observanz die weimarische Regentin, das Geheime Consilisum und den herrschaftlichen Behördenapparat für die Interessen des Ordens instrumentalisierte. [...]
Wie systematisch die Infiltration der politischen Herrschaftsstrukturen durch die Strikte Observanz betrieben wurde, zeigt die Geschichte der Loge "Amalia" in Weimar. Sie kontrollierte wichtige politische Schlüsselpositionen der obervormundschaftlichen Regierung der Herzogin Anna Amalia.
Jenaer Urburschenschaft
June 21, 2010
Der Zeitungsladen vom Apfelkonzern
Wenn Steve Jobs ein neues Konsum-Produkt vorstellt, schwingt stets etwas religiöses mit. Jobs Präsentationen folgen einer präzisen Choreographie – irgendwo zwischen Gottesdienst und Teleshopping. Ein brillanter Verkäufer war Steve Jobs schon immer, erinnert sich Steve Wozniak. Die beiden gründeten das Unternehmen 1976 ganz stilecht in einer Garage. Wozniak:
Steve Jobs' Rolle war also die des Verkäufers."Ich habe mein Leben lang mit Computern herumgespielt und fing irgendwann an, selber welche zu entwerfen und zu bauen. Ein Modell war schließlich gut genug, um damit zu arbeiten und zu spielen. Ich verschenkte es. Dann war da noch mein bester Freund, der bei vielen Technikprojekten dabei war. Fast jedes Mal wenn ich etwas baute, fand er einen Weg um es zu verkaufen. Das war Steve Jobs."
Um die Wirkung seiner Präsentation zu erhöhen, soll er zuvor den Medien gezielt falsche Informationen zugesteckt haben. Im Fall des iPad verbreitete das Wallstreet Journal einen deutlich höheren Verkaufspreis.
John Martellaro (ehemaliger Apple-Marketing-Manager):
"Think different, denkt anders," lautete lange Zeit der Apple-Werbespruch. In diesem Clip aus dem Orwell-Jahr 1984 inszenierte sich der Konzern selbstbewusst als einsamer Kämpfer für Freiheit und Individualismus. Von dieser Philosophie scheint heute nicht mehr viel übrig zu sein. Wie kein anderer Hersteller vergleichbarer Unterhaltungsgeräte kontrolliert der Apfelkonzern, was die Käufer damit tun dürfen und was nicht."Ich las den Artikel im Wallstreet Journal und sagte, ja genau, diese Taktik habe ich damals für Apple benutzt. Es ist eine kontrollierte Indiskretion: ein Testballon, um der Technikmesse CES den Wind aus den Segeln zu nehmen, um die Leute neugierig auf das iPad zu machen und um herauszufinden, wie die Öffentlichkeit auf den kolportierten Preis von 1.000 US Dollar reagiert."
Die in Boston lebende Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel kritisiert außerdem:
Die einzige Möglichkeit, neue Programme, die man hier Apps nennt, auf iPhone oder iPad zu installieren, bietet der digitale Kiosk namens App-Store, über dessen Sortiment Apple allein entscheidet. An diesem Grenzübergang müssen Entwickler ihre Software untersuchen lassen. So lassen sich natürlich Viren und andere digitale Schädlinge von den Tablets fernhalten – oder auch unliebsame Programme der Konkurrenz."Wenn man bösartig sein will, könnte man schon sagen, dass Apple so 'ne Art Internet-Disneyland aufbaut. Oder im deutschen Kontext, dass Apple so 'ne Art Neckermann-Pauschalreise durchs Web anbietet: Man bucht über Apple, man hat 'n Apple-Reiseführer, man hat die Apple-Informationen, man fährt nur an Apple-Orte, und die Apple-Portiers sagen, ob man rein darf oder nicht und was man mitnehmen darf und wieviel es kostet."
David Weinberger:
Nach "think different" klingt das alles nicht mehr. Das gibt selbst Apple-Mitgründer Steve Wozniak zu:"Es ist ganz offensichtlich, dass Apple nicht nur Programme ausschließt, die das Gerät gefährden könnten, sondern auch solche, die Apples Marktposition gefährden könnten."
Geradezu begeistert von Apples Kontrollpolitik in Verbindung mit dem schicken iPad zeigen sich viele Zeitungsverleger. In einer amerikanischen Talkshow (Charlie Rose) ließ sich Springer-Chef Mathias Döpfner gar zu dieser Aussage hinreißen:"Es könnte sein, dass wir den Leuten, die unsere Produkte kaufen, eine Art und Weise zu denken anbieten wollen. Das ist ein Problem großer Unternehmen: Es ist einfacher für ein gutes Erlebnis zu sorgen, wenn man in diesem Sinne Freiheiten einschränkt."
Der Grund für soviel Euphorie: Apples elektronischer Kiosk soll die Internetgeneration dazu bringen, für digitale Ausgaben von Zeitungen zu bezahlen. Zwar besitzt das iPad auch einen Browser und bietet somit Zugang zum Internet, trotzdem hoffen die Verleger, Apples Zeitungsladen könne ihnen helfen, ihre Kassen zu füllen. Aber Steve Jobs verlangt nicht nur 30% Umsatzbeteiligung, sondern, so beklagen Kritiker, er wünscht sich seine virtuellen Verkaufsfläche als Ebenbild eines amerikanischen Shoppingcenters. Sicher, sauber und familienfreundlich."Ich denke, jeder Verleger sollte einmal am Tag beten, um Apple-Chef Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Zeitungsindustrie rettet."
Weinberger:
So kommt es, dass puritanisch-amerikanische Moralvorstellungen plötzlich im fernen Deutschland eine Rolle spielen und dort eine interessante Wirkung entfalten."Der App-Store verbannt alles, was anzüglich sein könnte. Er verwandelt Apple-Geräte in kindersichere Geräte. Das ist großartig für Kinder, aber einige von uns sind keine Kinder."
Donata Hopfen ("Bild Digital"):
Meckel:"Wir haben von Anfang an wissend in Kauf genommen, dass wir uns an der ein oder anderen Stelle einschränken müssen, was wir nicht gerne tun, aber was wir für diese Infrastrukturbedingungen dann getan haben. Es betrifft explizite Fotos, die in den USA so nicht akzeptiert werden von Apple."
In weggeblitzten Oberweiten mag man noch keinen Großangriff auf die Pressefreiheit sehen, der Zensurtempel der App-Store-Hausmeister traf jedoch auch schon ganz andere. So kritisieren viele, dass der Cartoonist Mark Fiore mit seiner App von Apple abgelehnt wurde und erst nach der Auszeichnung mit dem Pulitzer-Preis Einlass in den digitalen Kiosk fand."Es gibt hier im Moment das geflügelte Wort, das man überall hören kann, wenn man fürs iPad ein App produzieren will, dann muss man "die Iran-Version" kreieren, und das sagt, glaub ich, unter Gesichtspunkten der Zensur und der politischen Anpassungsfähigkeit schon ziemlich viel aus."
Meckel:
Derweil fragen sich Kritiker, welche Inhalte Steve Jobs wohl als nächstes von seinen Tablet-Rechnern verbannen könnte. Weinberger:"Ich persönlich muss sagen, ich möchte mich nicht drauf verlassen müssen, dass jemand erst den Pulitzer-Preis bekommen muss, bevor er die Möglichkeit hat zu publizieren auf Kommunikationsgeräten, die eben den Zugang zum Netz ermöglichen."
Gerne hätten wir darüber mit Apple diskutiert, aber das Unternehmen war leider zu keiner Stellungnahme bereit."Kriegsbilder können auch sehr verstörend auf Kinder wirken. Viele Ideen können verstörend auf Kinder wirken. Oder auf Apple? Es ist letztlich egal, der Punkt ist, wir müssen das diskutieren, wir müssen kritisch hinterfragen, was Apple auf unsere Computer und unsere Lesegeräte lässt."
Den Slogan "think different", denkt anders, verwendet Steve Jobs schon länger nicht mehr. Diese Youtube-Parodie liefert einen Vorschlag für eine zeitgemäße Variante:
"Think like us – denkt wie wir."